Die unbeschriftete Sitzfigur wurde im Serdab (= Statuenkammer) der Mastaba des Tep-em-anch (zu seinem Namen vgl. im Kommentarfeld unten) gefunden; sie darf als Grabstatue des Grabherrn aufgefasst werden. Der Mann sitzt auf einem würfelförmigen Hocker mit nach vorn verlängerter Basisplatte, auf der die Füße des Dargestellten stehen. Beide Unterarme liegen auf den Oberschenkeln auf; die linke Hand ist flach ausgestreckt, die rechte dagegen geballt. Sie umfasst einen Steinkern, der je nach Interpretation als "Schattenstab" oder als Amulett in Form eines Stoffstreifens erklärt wird. Die Figur ist streng achsengerade ausgerichtet und mit großer Sorgfalt gearbeitet.
Tep-em-anch ist als jugendlicher, schlanker Mann wiedergegeben, was dem damals gängigen Schönheitsideal und der Vorstellung von einem wirksamen Bild für die Ewigkeit entsprach. Die Proportionen des Körpers sind ausgewogen, die Muskulatur an Oberkörper und Beinen ist markant betont. Die Löckchenperücke und der kurze Schurz stellen die Standardbekleidung eines Mannes von Rang dar. Die heute zwar verblasste, aber insgesamt gut erhaltene Bemalung zeigt, dass man sich um eine lebensnahe Wiedergabe mit lebendiger Ausstrahlung bemühte. Dies wird auch durch die Gesichtszüge betont, die zwar einem abstrakten Ideal verpflichtet sind, aber durchaus individuelle Elemente wie die scharfen Falten von der Nase zum Mund, einen relativ kleinen, leicht lächelnden Mund und ausdrucksstarke Augen mit erhaben reliefierten Brauen aufweisen können.
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